Moritz von Oswald spielt Keyboards und Percussion. Foto: Daniel Dittus/Elbphilharmonie (hfr)

Techno plus Live-Schlagzeug

Moritz von Oswald Trio zeigt, wie gehts

Eine Überraschung gibt es direkt beim Eingang in den Saal auf der Bühne zu erblicken: der Besucher des Konzerts des Moritz von Oswald Trios stellt erstaunt fest, dass da tatsächlich ein Schlagzeug aufgestellt ist. Zum Verständnis: Moritz von Oswald gilt als Pionier der Musikrichtung Techno in den 90er Jahren. Also die Musikrichtung, die als Erstes was abschaffte? Exactement, das Live-Schlagzeug! Sowas nennt man wohl Ironie der Geschichte, wenn ein vor Jahrzehnten ausgemustertes Instrument ausgerechnet in der Musikrichtung ein Comeback feiert, die es einst als für ungeeignet für die neuen Klanggebilde hielt…

Trotz gesundheitlicher Einschränkungen: ein famoser Auftritt

Das Moritz von Oswald Trio besteht aus dem Namensgeber (Keyboards, Percussion) – der übrigens tatsächlich ein Ur-Ur-Enkel von Fürst Otto von Bismarck, dem ersten Deutschen Reichskanzler, ist -,  der amerikanischen DJane Laurel Halo und dem Jazzdrummer Heinrich Köbberling. Das Trio gibt es schon länger, aber in dieser personellen Konstellation erst seit Kurzem. Der Auftritt ist auf eine Stunde reduziert und das hat nicht nur, aber auch, einen traurigen Hintergrund. 2008 erlitt von Oswald während einer Langstrecken-Flugreise einen Schlaganfall und muss seine Sets seitdem zeitlich limitieren. Das Erlebnis für das Publikum wird dadurch allerdings nicht beeinträchtigt, es geht intensiv zu, in dieser Konzentration ist man als Besucher auch mit einer Länge von einer Stunde überaus zufrieden gestellt. 

Retro-Sounds dominieren den Start

Der Beginn ist rhythmisch-treibend, schnell wird es aber danach mit Sirenen-artigen Industrial-Sounds dunkel-sphärisch. Der Schlagzeuger setzt zunächst auf einen Drum’n’Bass-Beat, die ersten Minuten sind von den Synthie-Sounds eine Zeitreise zu Elektronik-Pionieren der 70er Jahre à la Tangerine Dream, ebenso schillert die Post-Punk-Formation Throbbing Gristle durch. Von Oswald’s Keyboard-Bass weckt Assoziationen an das legendäre Produzenten-Team Jimmy Jam und Terry Lewis (Janet Jackson, Human League etc.): tief, langgestreckt und flächig wird der Besucher in die musikalische Welt des Trios hineingezogen. 

Erst kein Groove, dann doch

Der Effekt könnte ziemlich hypnotisch sein, aber genau das ist anscheinend nicht gewollt. Das Live-Schlagzeug schafft mit seinem krachenden Sound eine musikalische Gegenwelt zu den Aktivitäten des restlichen Trios und erzeugt damit zwar in diesem Moment keinen Groove (wie gesagt: hier bewusst nicht gewollt), aber eine faszinierende, vibrierende Grundspannung. Kurz: viel Schlagzeug, aber dennoch kein Rhythmus. Es könnte der Soundtrack zu einem Low-Fi Science Fiction sein – ist von Oswald ein Eraserhead-Fan? -, was da von der Bühne hinüber gewabert kommt. Dieses Wabern entwickelt sich aber so langsam zu einem vornehmen Brodeln und wird – nach einer kakaphonischen Zwischenphase – tatsächlich, wer sagt’s denn! – doch noch groovy, man darf zumindest im Sitzen mit den Füßen wippen. 

Auch der Herr Intendant outet sich als Moritz von Oswald-Fan

Ein atmosphärisch dichtes Konzerterlebnis, das beim Intendanten der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, auf Begeisterung stieß: „Die musikalische Entwicklung von Moritz von Oswald verfolge ich seit vielen Jahren, ich finde ihn einfach überragend. Auch der heutige Abend war Spitzenklasse. Ich finde es sehr interessant, dass das Live-Schlagzeug quasi so auf die Maschine draufspringt, das gibt eine enorme Spannung in der Musik.“

Text von Cetin Yaman 

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